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Herne. [sn] Die Entscheidung des Ältestenrats in Herne, die Franz-Hengsbach-Straße in „Zu den Obstwiesen“ umzubenennen, wirft Fragen nach der Rolle und dem Einfluss dieses Gremiums auf. Als beratendes Organ des Stadtrats, bestehend aus Vertretern der Fraktionen und dem Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda, sollte der Ältestenrat eigentlich eine vorausschauende und verantwortungsvolle Entscheidungsfindung fördern. Doch in diesem Fall stellt sich die Frage, ob er nicht eher als Bremse fungiert hat und sich einer mutigen Haltung gegenüber gesellschaftlich relevanten Themen verweigerte. Statt einen klaren Schritt hin zur kulturellen Anerkennung und gegen Missbrauch zu gehen, entschied sich der Ältestenrat für einen unverfänglichen Namen ohne tiefere Symbolkraft.
Mutlosigkeit und die Flucht ins Belanglose – Rückwärtsgewandtheit als Grundeinstellung?
Der Ältestenrat ist für Herne nicht einfach nur ein Beratergremium, sondern auch ein Zeichen der politischen Ausrichtung und Entscheidungsfindung der Stadt. Die Ratsvertreter sind durchaus in der Lage, gesellschaftliche Zeichen zu setzen, indem sie Themen ansprechen und mit ihrer Entscheidung in eine Richtung weisen. Dass jedoch ausgerechnet der Ältestenrat – der in der Lage gewesen wäre, gesellschaftlich relevante Entscheidungen vorzubereiten – den mutlosen Weg des geringsten Widerstandes gewählt hat, spricht gegen die Bedeutung und die moralische Führungskraft des Gremiums.
Der Vorschlag, die Straße nach dem bekannten Schlagersänger Jürgen Marcus zu benennen, war eine klare Aufforderung an die Stadt, für Diversität und Offenheit zu stehen und sich zugleich klar gegen die Missbrauchsproblematik in der katholischen Kirche zu positionieren. Die Umbenennung der Franz-Hengsbach-Straße, benannt nach einem Geistlichen, der schwerwiegenden Missbrauchsvorwürfen ausgesetzt ist, wäre eine Chance gewesen, ein klares Signal zu setzen. Doch der Ältestenrat blieb in dieser Frage unentschlossen und vermied es, ein deutliches Zeichen zu setzen – ein Versäumnis, das angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung dieser Themen kaum nachvollziehbar ist.
Die Verantwortung des Ältestenrats für gesellschaftliche Werte
Als inoffizielles Beratungsgremium ist der Ältestenrat von Herne zwar nicht der alleinige Entscheidungsträger, doch hat er erheblichen Einfluss auf die politischen Richtungsentscheidungen der Stadt. Seine Mitglieder könnten und sollten die Interessen und Werte der Gemeinschaft widerspiegeln, insbesondere wenn es um Themen wie Vielfalt, kulturelle Anerkennung und die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen geht. Die Weigerung, einen Bürgerantrag zu unterstützen, der Jürgen Marcus – einen offen schwul lebenden Künstler – als Namenspatron für die Straße vorgeschlagen hatte, sendet jedoch ein enttäuschendes Signal. Viele Bürger erwarten, dass der Ältestenrat als moralische Instanz der Stadt fungiert und sich für progressive Entscheidungen einsetzt, die den Wert der Diversität und kulturellen Repräsentation fördern.
Die politische Botschaft und der Vertrauensverlust in den Ältestenrat
Indem der Ältestenrat die Entscheidung überging, Jürgen Marcus zu ehren und den Vorschlag in einen unverfänglichen Namen wie „Zu den Obstwiesen“ zu verwandeln, riskiert er, das Vertrauen jener zu verlieren, die eine klare und mutige Haltung zu gesellschaftlichen Werten erwarten. Die Entscheidung unterstreicht die mangelnde Bereitschaft, mit schwierigen Themen wie Missbrauch in der Kirche und der Anerkennung von LGBTQ+-Rechten in der öffentlichen Wahrnehmung ernsthaft umzugehen. Zudem dürfte die Entscheidung den Anhängern von Parteien wie den Grünen, Linken und Sozialdemokraten schwer im Magen liegen. Ihre Wählerschaft sieht in der Benennung öffentlicher Räume auch eine Möglichkeit, die Werte von Diversität und Offenheit zu stärken und sie für die Zukunft sichtbar zu machen.
Ein verfehlter moralischer Kompass
Der Ältestenrat in Herne hat mit dieser Entscheidung versäumt, die Chance zu nutzen, nicht nur ein Stück Stadtgeschichte neu zu definieren, sondern auch ein wichtiges gesellschaftliches Statement abzugeben. Die Entscheidung für einen generischen Namen und gegen den Vorschlag zur Ehrung eines offen homosexuell lebenden Künstlers wie Jürgen Marcus zeigt, dass das Gremium wohl lieber konfliktfreie Entscheidungen trifft, als klare moralische Positionen zu vertreten.
Die Rolle des Ältestenrats wäre es gewesen, eine fortschrittliche und integrative Entscheidung zu unterstützen, die dem Wunsch nach kultureller Repräsentation und Diversität gerecht wird. Stattdessen wurde das Potenzial verkannt, mit einer klaren Haltung den Zusammenhalt der Gesellschaft zu fördern und ein Zeichen der Solidarität mit den Missbrauchsopfern in der Kirche zu setzen.