Herne. [sn] – Es ist eine Geschichte voller Widersprüche, schleppender Verwaltung, verdeckter Zahlen und wachsender Empörung: Seit Jahren setzt sich die Bürgerinitiative Hallenbad Eickel für den Erhalt des gleichnamigen Bades ein – mit guten Argumenten, fundierten Recherchen und immer mehr Unterstützern. Während die Politik Fakten schafft, wächst bei vielen Bürgern das Gefühl, übergangen und getäuscht zu werden.
Der Abriss droht – doch die Bürgerinitiative wehrt sich
Am 23. Juni 2025 macht die Bürgerinitiative öffentlich, dass sie sich der bundesweit agierenden Anti-Abriss-Allianz angeschlossen hat – einem Bündnis aus Architekten, Denkmalpflegern, Stadtplanern, Forschern und Bürgern. Der Grund: Das alte Hallenbad Eickel soll einem Neubau weichen. Die Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda plant den Abriss – trotz wachsender Proteste und der drohenden Vernichtung eines stadtbildprägenden Baudenkmals.
Auf der digitalen Karte des Abriss-Atlas ist Herne nun mit einem weiteren roten Punkt versehen – ein weiteres Stück Baugeschichte droht zu verschwinden.
Verzerrte Zahlen, verschwiegene Gutachten – die Kritik der BI
Was die Bürgerinitiative um ihren Sprecher Jürgen Köhne besonders empört: Entscheidungsgrundlagen seien bewusst manipulativ dargestellt worden. So habe das Architekturbüro KTP die Sanierungskosten künstlich um rund 65 % verteuert, während die Neubaukosten milder gerechnet worden seien. Auch die späteren Neuberechnungen durch das Beratungsunternehmen PROVA – die deutlich günstigere Zahlen für eine Sanierung liefern – wurden dem Rat erst nachträglich zugänglich gemacht.
„Solche Rechenspiele sind geeignet, jede Altbausanierung zu Fall zu bringen“, heißt es vonseiten der BI. Die Ratsmitglieder hätten letztlich auf Grundlage veralteter und unvollständiger Informationen abgestimmt.
Ein weiterer Aufreger: Der Stadtverwaltung wurde ein internes Papier zugespielt, das Fördermöglichkeiten für das Hallenbad Eickel verneint. Die BI spricht von einer „Fördermittellüge“ und fordert eine interfraktionelle Aufklärung. Gesprächsprotokolle mit der zuständigen Förderstelle belegen nämlich das Gegenteil: Förderprogramme wären sehr wohl verfügbar gewesen – etwa im Rahmen des EFRE-Programms oder durch Bundesmittel zur Bestandssanierung.
Ein Bad mit Geschichte – und mit Zukunft

Das Hallenbad Eickel ist nicht nur ein funktionales Gebäude – es ist ein Ort der Begegnung, der Kindheitserinnerungen, der Stadtgeschichte. Wie der Begriff Bürgerinitiative schon vermuten lässt, geht es hier nicht um Technik allein, sondern um Werte: Stadtidentität, ökologischer Umgang mit Ressourcen, demokratische Teilhabe.
In anderen Städten wurden ehemalige Bäder zu Museen, Restaurants oder kulturellen Treffpunkten umgewidmet. Warum also nicht auch in Herne?
Währenddessen schließt die Stadt ein Becken nach dem anderen – zuletzt die Kleinschwimmhalle am Otto-Hahn-Gymnasium wegen Sanierung. Schon jetzt ist die Schwimminfrastruktur überlastet. Vereine drängen sich mit dem öffentlichen Badebetrieb auf wenigen Bahnen. Wie Tagesschau berichtet, ist Deutschland auf dem Weg zum Nichtschwimmerland. Auch die Rubrik Politik der SN SONNTAGSNACHRICHTEN beleuchtete wiederholt das Verfahren rund um das Hallenbad in Eickel.
Demokratie in der Sackgasse: Bürgerwille wird ignoriert
Besonders bedenklich: Über 8.000 Bürgerinnen und Bürger haben sich mit ihrer Unterschrift für den Erhalt des Hallenbads ausgesprochen. Doch Verwaltung und Teile des Stadtrats ignorieren dieses Signal.
„Wer die Bürger in dieser Weise übergeht, darf sich über Politikverdrossenheit nicht wundern“, kommentiert ein Unterstützer der BI. Die SPD, CDU und Grünen im Rat stemmen sich weiter gegen ein Umdenken – dabei wäre ein Bürgerentscheid längst angemessen.
Offenbar befürchtet der Oberbürgermeister eine Niederlage im Ratsplenum – und will vor der Kommunalwahl noch schnell Fakten schaffen. Der Verdacht: Ein Schnellabriss des Gebäudes könnte bald erfolgen. In Gladbeck hat vor einigen Jahren ein ähnlicher Vorgang stattgefunden: Um 6 Uhr morgens wurde dort ein Gebäude abgerissen – nur eine Stunde bevor der Denkmalschutzbescheid offiziell eintraf. Dieses Spiel sollten Rat und Verwaltung in Herne nicht spielen.
Wahlprognosen mit Sprengkraft: Die BI könnte spielend in den Rat einziehen
Die BI zeigt sich kampfeslustig. Angesichts der breiten Unterstützung sollte die BI eine Kandidatur bei der nächsten Kommunalwahl anstreben. Bei über 8.000 Unterstützern könnte sie womöglich an das SPD-Ergebnis der letzten Wahl heranreichen – und mit dem wachsenden Unmut über die etablierten Parteien wäre ein Einzug in den Rat absolut denkbar.
„Wenn eine Bürgerinitiative wie die unsere mehr Zuspruch bekommt als so manche Stadtratspartei, dann stimmt etwas nicht im politischen Betrieb“, kommentiert ein Herner CDU-Mitglied.
Die Kritik an Vetternwirtschaft, Intransparenz und Ignoranz wächst – vor allem bei denjenigen, die jahrelang ehrenamtlich, sachlich und konstruktiv um den Erhalt eines Gebäudes kämpfen. Die Verwaltung kennt offenbar viele Tricks – doch der Bürger kennt auch den Weg an die Urne.