Altmark / Burladingen / Gladbeck / Herne. [sn] Am 17. Juli 2025 wendet sich Wolfgang Grupp, der langjährige Inhaber und Geschäftsführer von Trigema, in einem bewegenden Schreiben an die Öffentlichkeit. Der 83-jährige Unternehmer hat darin bestätigt, dass er einen Suizidversuch unternommen hat – und gleichzeitig einen eindringlichen Appell formuliert: gegen das Schweigen über Altersdepression und für einen offenen Umgang mit psychischer Gesundheit im Alter.
Ein Lebenswerk, ein Bruch, ein Bekenntnis
Seit Jahrzehnten steht der Name Wolfgang Grupp für den schwäbischen Mittelstand, für Verlässlichkeit, Bodenständigkeit und Heimatverbundenheit. Seine Firma Trigema ist eines der letzten großen Textilunternehmen, die ausschließlich in Deutschland produzieren. Grupp war stets ein Mahner gegen Auslagerung, gegen Globalisierung um jeden Preis und gegen die Aufweichung sozialer Verantwortung. Nun hat sich der Unternehmer selbst mit einer erschütternden Offenbarung in die Schlagzeilen zurückgemeldet: Ein Suizidversuch infolge von Altersdepression.
In seinem Brief, der zunächst von der Bild-Zeitung veröffentlicht wurde, schreibt Grupp:
„Ich bin im 84. Lebensjahr und leide an sogenannten Altersdepressionen. Da macht man sich auch Gedanken darüber, ob man überhaupt noch gebraucht wird. Ich habe deswegen auch versucht, mein Leben zu beenden.“
Es sind Worte von seltener Offenheit, von einer Generation, die gelernt hat, über persönliche Krisen zu schweigen. Gerade deshalb wirkt dieses Bekenntnis so kraftvoll – und zugleich alarmierend.

Familie Grupp ruft zur Geschlossenheit auf
Wolfgang Grupp bedankt sich in seinem Schreiben nicht nur bei den behandelnden Ärzten, sondern würdigt ausdrücklich seine Familie. Er betont das Vertrauen in seine Ehefrau Elisabeth sowie seine Kinder Bonita (35) und Wolfgang Grupp junior (34), denen er nun die Führung von Trigema überlassen will.
„Ich bin mir sicher, dass meine Kinder Trigema verantwortungsvoll in eine erfolgreiche und sichere Zukunft führen werden.“
Dass dieser Übergang vorbereitet war, ist bekannt – nun aber erhält er durch die persönliche Krise eine zusätzliche Dimension. Die Belegschaft wurde noch am selben Tag per E-Mail und in einer persönlichen Ansprache in der Trigema-Zentrale in Burladingen über den Gesundheitszustand ihres Chefs informiert.
Der Schritt Grupp seniors gilt in Unternehmerkreisen als mutiger Akt. Ein Patriarch zieht sich zurück – nicht abrupt, sondern mit einer Bitte um Vertrauen in die nächste Generation. Die Familie ist seit jeher das Rückgrat des Unternehmens. Das zeigen auch Auftritte wie jener beim jährlichen Trigema-Sommerfest, das als „kleine schwäbische Staatsfeier“ gilt.
Die öffentliche Reaktion auf Grupps Brief ist enorm. In sozialen Netzwerken, Kommentaren und Zuschriften wird der Unternehmer nicht nur für seine Leistung, sondern auch für seine Offenheit gefeiert. „Ein Mann mit Haltung bis zuletzt“, heißt es etwa in einem Wikipedia-Eintrag, der bereits angepasst wurde.
Depression im Alter: Ein Tabuthema bricht auf
Neben der unternehmerischen Dimension enthält der Brief von Wolfgang Grupp eine zutiefst menschliche Botschaft. In einem Schlusssatz wendet er sich an all jene, die an Depressionen leiden:
„Meine Bitte an alle, die an Depressionen leiden: Suchen Sie sich professionelle Hilfe und begeben Sie sich in Behandlung.“
Damit stellt Grupp ein Thema in den Mittelpunkt, das noch immer unterschätzt wird: Depression im Alter. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) leiden rund 5 bis 10 Prozent der über 65-Jährigen an behandlungsbedürftigen depressiven Erkrankungen. Doch die Dunkelziffer ist hoch. Viele Betroffene schämen sich oder erkennen ihre Symptome nicht. Gerade Männer seiner Generation neigen dazu, psychische Probleme zu verdrängen.
Auch der Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK) sieht in der öffentlichen Erklärung von Grupp ein wichtiges Signal. „Wenn ein erfolgreicher Unternehmer offen über Depression spricht, kann das anderen Mut machen, Hilfe anzunehmen“, so ein Sprecher gegenüber der Tagesschau.
Die Wissenschaft bestätigt diesen Effekt. Sichtbarkeit von Betroffenen, insbesondere Prominenter, kann die Schwelle zur Therapie senken. In der Schweiz etwa wird diese Strategie gezielt in der Suizidprävention eingesetzt.
Was bleibt, ist ein Appell: Psychische Gesundheit muss in allen Altersgruppen ernst genommen werden. Wolfgang Grupp hat diesen Appell nicht aus der Theorie formuliert, sondern aus persönlichem Erleben. Sein Brief ist ein Vermächtnis, das weit über Trigema hinausweist – auf eine Gesellschaft, die lernen muss, Schwäche nicht als Makel zu sehen, sondern als Teil des Menschseins.
Auch die Unternehmensseite von Trigema verweist mittlerweile auf den Brief und betont die Kontinuität in der Führung des Unternehmens.
Für die Redaktion der Rubrik Gesundheit der SN SONNTAGSNACHRICHTEN steht fest: Dieser offene Brief ist ein gesellschaftliches Ereignis, das Fragen stellt, die lange verdrängt wurden – über Verantwortung, Familie, Alter und die Kraft, Hilfe zu suchen.