Herne. [sn] Die Stadt Herne hat mit einer ungewöhnlich scharfen Stellungnahme auf Kritik der BUND-Kreisgruppe Herne reagiert. Hintergrund ist ein Bericht der WAZ vom 07.10.2025, in dem der BUND Zweifel am Beteiligungsverfahren zur Entwicklung des Blumenthal-Areals äußerte. Während die Stadtverwaltung ihr Verfahren als bundesweit einmaliges Vorzeigeprojekt darstellt, wirft der Tonfall der Stellungnahme Fragen auf: Wer Kritik anbringt, wird von der Verwaltung rasch ins Abseits gestellt.
Die Stadt verweist auf den „Kommunalen Entwicklungsbeirat“ (KEB), der unter Leitung von Prof. Dr. Gesine Schwan Empfehlungen für die Zukunft des ehemaligen Zechengeländes formulierte. Dort sei ein „gemeinsamer Kompromiss“ erreicht worden – inklusive der umstrittenen Seilbahn. Doch ausgerechnet der BUND, der als Naturschutzverband Teil des Gremiums war, bemängelt nun Details des Prozesses, etwa die unzureichende Berücksichtigung der Kreuzkrötenpopulation.
Statt inhaltlich auf diese ökologischen Bedenken einzugehen, setzt die Stadt auf Abwehr: Die Stellungnahme spricht von „unzutreffenden Anwürfen“, „Bedauern und Irritationen“ und warnt davor, dass der BUND den „Grundkonsens aufkündige“ und damit die Arbeit aller Beteiligten „entwerte“. Eine bemerkenswert harte Wortwahl für ein Verfahren, das offiziell Konsens und Bürger:innenbeteiligung großschreibt.
Die Verwaltung betont den hohen Anteil an Grünflächen (fast 60 Prozent) und die Nachhaltigkeitsziele des Projekts. Gleichzeitig macht sie deutlich: Einzelne ökologische Erkenntnisse dürfen nicht dazu führen, dass das Gesamtpaket infrage gestellt wird. Damit setzt die Stadt klare Prioritäten – und zeigt, dass der gefundene Kompromiss in erster Linie politisch gesichert werden soll, auch wenn Fachfragen offenbleiben.
Der Umgangston gegenüber dem BUND wirft Fragen auf: Soll ein Umweltverband, der rechtlich als anerkannte Stimme im Naturschutz gilt, öffentlich in die Rolle des Störenfrieds gedrängt werden? Gerade in Zeiten, in denen Biodiversität und Klimaschutz auch in kommunalen Planungen eine zentrale Rolle spielen, wirkt die harsche Reaktion der Verwaltung wie ein Versuch, Kritik kleinzuhalten.
Am Ende kündigt die Stadt zwar weitere Beteiligungsverfahren an. Doch das Signal ist deutlich: Wer grundlegende Kritik übt, läuft Gefahr, als destruktiv abgestempelt zu werden. Für die Herner Öffentlichkeit stellt sich die Frage, ob es bei der Entwicklung des Blumenthal-Areals wirklich um einen offenen Prozess geht – oder um die nachträgliche Absicherung bereits gefällter Entscheidungen.
Kommentar: Ein Beteiligungsverfahren, das nur solange passt, wie niemand widerspricht
Bürger:innenbeteiligung ist nur dann glaubwürdig, wenn auch unbequeme Stimmen gehört und respektiert werden. Die Stadt Herne betont zwar Transparenz und Konsens, doch ihr Verhalten gegenüber dem BUND zeigt ein anderes Bild: Kritik wird nicht als Teil des Dialogs verstanden, sondern als Angriff. Das ist gefährlich.
Wenn Verwaltung und Politik Beteiligung nur dann akzeptieren, solange das Ergebnis in den eigenen Plan passt, entwertet das den gesamten Prozess. Wer sich auf ein Bürgerforum oder einen Entwicklungsbeirat einlässt, darf nicht erwarten, dass alle Diskussionen konfliktfrei verlaufen. Genau darin liegt der Wert solcher Verfahren: Sie decken Zielkonflikte auf, sie bringen neue Erkenntnisse ans Licht – auch wenn diese unbequem sind.
Die Stadt Herne aber scheint Beteiligung eher als Instrument zur Legitimation bereits getroffener Entscheidungen zu nutzen. Der Konflikt um die Kreuzkrötenpopulation zeigt das exemplarisch: Statt ernsthaft zu prüfen, wird Kritik als Störung abgetan. Das schwächt Vertrauen und beschädigt die Idee einer offenen Stadtgesellschaft.
Das Blumenthal-Areal ist ein Jahrhundertprojekt für Herne. Ob es am Ende tatsächlich ein Leuchtturm für transparente Stadtentwicklung wird – oder ein Beispiel für Beteiligung nach Drehbuch – hängt davon ab, ob die Stadt bereit ist, Kritik wirklich auszuhalten.
Tonlage gegenüber dem BUND
Anerkannte Umweltverbände sind keine Staffage. Wer sie öffentlich als Konsensbrecher rahmt, diszipliniert Zivilgesellschaft – und sendet ein Signal an alle weiteren Akteur:innen: Mitreden ist erwünscht, Korrekturen am Kurs weniger. Das mag kurzfristig Planungsruhe schaffen, mittelfristig beschädigt es die Glaubwürdigkeit von Beteiligung.
Was jetzt nötig ist
- Transparente Nachsteuerung: Veröffentlichung der beauftragten Gutachten (inkl. Methodik, Datenbasis, Karten) zur Kraftwerksruine und zu Schutzgütern; klare, überprüfbare Zusagen zur Aufnahme neuer Befunde.
- Echte Variantenprüfung: Auch „heilige Kühe“ wie die Seilbahn gehören auf den Prüfstand, wenn Schutzgüter oder Wirtschaftlichkeit dagegenstehen.
- Respektvolle Kommunikation: Kritik von Umwelt- und Bürger:inneninitiativen nicht als Störung rahmen, sondern als Prüfauftrag.























