Herne. [sn] Die Bürgerinitiative „Für das Hallenbad Eickel“ erhebt aktuell schwere Vorwürfe gegen die Stadt Herne: Trotz realistischer Aussicht auf eine EFRE-Förderung in Höhe von bis zu 8 Mio € habe die Verwaltung bislang keine Schritte unternommen, um Fördermittel zu sichern. Die Frist für Antragsskizzen läuft Ende September ab – und vieles spricht dafür, dass Herne erneut eine große Chance verspielt.
Was steht auf dem Spiel – und was sagt die Initiative
Nach Darstellung der Initiative hat man sich bei der Bezirksregierung Arnsberg erkundigt und festgestellt: Es sind noch ausreichend Mittel vorhanden, und die Chancen, den Höchstbetrag zu erhalten, seien gut; eine einfache Projektskizze würde genügen.
Die Initiative kritisiert, dass die Verwaltung entgegen bisheriger Behauptungen nicht nur keine vollständigen Pläne verlangen darf, sondern zunächst eine solche Projektskizze ausreichen müsse. Der Stadt Herne wird vorgeworfen, bewusst Verzögerung herbeizuführen oder eine Fördermöglichkeit politisch zu umgehen, obwohl sie in der Verwaltung bekannt ist.
Die Konsequenz, so die Bürgerinitiative: Wenn nicht sofort reagiert werde, müsse sich die Stadt mit OB, Rat und Verwaltung „verantworten, wenn unsere finanziell klamme Stadt 8 Mio € verlorengehen“.
Juristische und politische Hintergründe – was ist möglich, was wurde möglicherweise versäumt
Rechtlich besteht gute Grundlage: Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) erlaubt Investitionen in öffentliche Gebäude, sofern Energieeffizienz und Klimaschutz gefördert werden – und Schwimmbäder können unter bestimmten Bedingungen genau diese Kriterien erfüllen. Die Verordnung (EU) 2021/1060 etwa sieht in Artikel 5 Abs. 2 lit. a vor, dass solche Vorhaben förderfähig sind.
Die Rahmenrichtlinie EFRE/JTF NRW für den Förderzeitraum 2021–2027 stellt klar: Kommunale Infrastruktur, die energieeffizient modernisiert wird und zur Reduktion von Treibhausgasemissionen beiträgt, ist förderwürdig.
Politisch heißt das: Der Ratsbeschluss, der möglicherweise einen Abriss vorsieht, könnte durch eine Dringlichkeitsentscheidung des Oberbürgermeisters oder durch Ratsmehrheiten angefochten werden – wenn die Stadt will. Andere Kommunen haben schon bewiesen, dass solche Wege gangbar sind, um Fristen zu wahren und Förderpotenziale zu nutzen.
Sanierung statt Neubau – Kosten, Nutzen, Bürger:inneninteressen
Für die Initiative sind die Vorteile einer Sanierung klar:
- Geringere Kosten im Vergleich zu einem Neubau – Prognosen liegen bei etwa 7-12 Mio € für eine Sanierung, während ein Neubau mit 15-25 Mio € zu Buche schlagen kann.
- Deutliche Reduktion der Betriebskosten durch energetische Maßnahmen (z. B. bessere Isolierung, moderne Haustechnik) – bis zu 60 %.
- Nachhaltigkeit: Klimaschutz, Energieeffizienz, langfristige Einsparungen und geringere Umweltbelastung.
- Bürger:inneninteresse: Das Hallenbad Eickel hatte und hat für die Öffentlichkeit, für Schulen, Vereine und Schwimmende große Bedeutung. Ein Neubau würde möglicherweise nicht in der Form die gleiche soziale Verbindung, den gleichen Charakter bewahren.
Die Verwaltung hingegen verweist laut Aussagen der Initiative auf Wirtschaftlichkeitsanalysen, in denen Neubauoptionen gegenüber Sanierung höher bewertet wurden. Allerdings wirft die Initiative genau dieser Analyse Verzerrungen vor: Unterschiedliche Rechenmethoden, überzogene Kostenschätzungen oder unrealistische Annahmen, die den Neubau als günstigere Lösung erscheinen lassen.
Warum bleibt Herne untätig? Fragen zur Transparenz und Verantwortung
Es gibt erschreckende Hinweise darauf, dass nicht nur technische oder planerische Gründe für das Zögern vorliegen:
- Keine Stellungnahme der Verwaltung, ob eine Projektskizze noch eingereicht wird.
- Unklarheit, ob politisch bewusst entschieden wurde, die Fördermittel zu ignorieren, um alternativ andere Varianten zu fördern oder den Abriss durchzusetzen.
- Zweifel in der Bevölkerung, in wie weit Bürger:inneninteressen tatsächlich gewichtet werden – oder ob Verwaltungsabläufe und Entscheidungsstrukturen stärker schützen als Transparenz und demokratische Kontrolle.
Wenn ein Förderprogramm wie der EFRE so konkret greifbar und relevant ist, dann sollte eine Stadtverwaltung, die sich zur Daseinsvorsorge bekennt, sofort handeln. Nicht Jahre später, wenn Fristen verstrichen sind und Möglichkeiten verlorengehen.
Ergo
Die Vorwürfe der Initiative sind nicht bloß politisches Stühlerücken: Es droht ein substantieller finanzieller Schaden für Herne und der Verlust einer realen Chance für energieeffiziente, nachhaltige Schwimmflächen vor Ort. Die Stadt darf sich nicht länger in formaljuristische Auffassungen oder vermeintlichen Kostendebatten verheddern, während Fördermittel und öffentliche Güter auf dem Spiel stehen.
Oberbürgermeister in spé, der neu gewählte Rat und Verwaltung müssen umgehend offenlegen:
- warum bisher keine Projektskizze eingereicht wurde
- ob die Wirtschaftlichkeitsberechnungen transparent und nachvollziehbar sind
- auf welcher konkreten Grundlage Vorentscheidungen für Abriss oder Neubau beruhen
Denn wenn diese Versäumnisse bewusst sind, dann handelt es sich nicht mehr um administrative Schludrigkeit – sondern um Verantwortungsverweigerung im Amt. Und dafür sollten Bürger:innen, Ratsmitglieder und Aufsichtsgremien Rechenschaft fordern.