Herne. [sn] Die neue Rathausarithmetik ist eine seltsame: Beide großen Parteien haben bei der Kommunalwahl am 14.09.2025 Federn gelassen, dennoch besiegeln sie nun die Zusammenarbeit – die SPD mit dem wiedergewählten Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda (51,49 Prozent), die CDU als Juniorpartnerin. Politisch interessant ist weniger die Inszenierung als der Inhalt. Legt man die Eckpunktevereinbarung (Entwurf, Stand 16.10.2025; Dokument liegt der Redaktion vor) neben die öffentlich belegbaren Wahlziele, gewinnt die CDU in der Summe mit 5:3 messbaren Treffern. Das mag überraschen, weil die symbolträchtigste Wegmarke – die Seilbahn zum Projektgebiet General Blumenthal – klar der SPD-Linie entspricht. Doch abseits des Titelbilds steckt im Kleingedruckten viel CDU-Sprache: Sicherheit, KOD (Kommunaler Ordnungsdienst), Parken, Westring, Problemimmobilien. Für die Wahrnehmung draußen zählt zwar häufig die große Erzählung – in der Verwaltungspraxis aber sind es genau diese Felder, die Alltag prägen. Die Wahlresultate bestätigt die offizielle Ergebnispräsentation der Kommunalwahlen: In Herne siegte der Amtsinhaber direkt; landesweit blieb die SPD insgesamt hinter der CDU zurück.
Seilbahn als Überschrift – S-Bahn als verlorenes Motiv
Die Vereinbarung setzt bei der Erschließung des Blumenthal-Areales „in erster Linie“ auf eine städtische Seilbahnverbindung zum Wanne-Eickel Hauptbahnhof – exakt jene Leitidee, die Verwaltung und SPD-Lager seit Längerem kommunizieren und die in Berichten und Projektseiten prominent geführt wird. Das WAZ-Dossier skizziert seit 2024 den Zeitpfad bis zur möglichen Inbetriebnahme; Radio Herne dokumentiert 2025 den Einstieg in die nächste Projektphase. Für die SPD ist das ein sichtbarer Volltreffer. Für die CDU ist es der größte Verlustposten: Ihr Wahlkampfnarrativ – die Verdichtung im Schienennetz durch einen zusätzlichen S-Bahn-Haltepunkt „Herne-Crange“ – taucht nicht als politisch priorisiertes Vorhaben auf. Gerade im dicht geknüpften VRR-Korridor um den Knotenpunkt Wanne-Eickel Hbf (vgl. Wikipedia-Artikel Wanne-Eickel Hauptbahnhof) wäre das ein kosteneffizienter, netzkompatibler Schritt gewesen. So aber bleibt die Schwebebahn die Story, die Schiene das Fußnotenthema.
Kleingedruckt mit Wirkung: Sicherheit, Verkehrspraxis, Bauen
In der Fläche hingegen setzt sich die CDU durch: Die flächendeckende Tempo-30-Idee wird klar verworfen; Parken wird systematisch bewirtschaftet und mit Quartierslösungen flankiert; E-Flotten-Ausbau und Bahnhofsumfeld-Aufwertung kommen ohne ideologische Reibung daher; der Westring bleibt vierspurig; der KOD wird personell und operativ gestärkt – inklusive Prüfaufträgen für Videoüberwachung an Kriminalitäts-Hotspots. All das bildet klassische CDU-DNA ab und findet sich nahezu deckungsgleich im kommunalpolitischen Programm 2025–2030 (Sicherheits- und Ordnungsagenda, MIV-Balance, Parkraum, Unterhalt vor Neuanlage bei Rad-/Fußwegen, stringente Problemimmobilien-Strategie). Sozial- und Bildungsthemen – Kita-Versorgung, Gebührenstabilität, Präventionsangebote – tragen deutlich die Handschrift der SPD; hier punktet sie in der Vereinbarung. Im Invest-Alltag ist das Bild also gemischt, in der Summe aber ein Plus für die CDU: 5 klar zuordenbare Treffer (Tempo-30-Abwehr, KOD/Video, Parken/Quartiersparkhäuser, Westring, Problemimmobilien) gegen 3 SPD-Treffer (Seilbahn-Priorität, Kita/Soziales, Inklusion). Für die in der Stadt täglich spürbaren Effekte ist das ein relevanter Befund.
Politische Rendite vs. Verwaltungsoutput: Was am Ende bleibt
Politisch gewinnt die SPD mit der Seilbahn das Schaufenster: Ein Bild, ein Versprechen, ein Datumsband. Verwaltungstechnisch indes lässt die CDU kaum eine ihrer Kernforderungen unbedient. Die strategische Frage lautet deshalb: Reicht die symbolische Überhöhung, um die SPD im Diskurs zu tragen – oder fällt die Bilanz nach einigen Quartalen Alltag zugunsten der CDU aus, weil Bürger:innen sichere Bahnhofsachsen, strengere Ordnung, funktionierendes Parken und greifbare Maßnahmen an Problemimmobilien stärker wahrnehmen als eine zukünftige Gondel? Das Wahlergebnis spricht dafür, dass beide Lager Vertrauen zurückgewinnen müssen: Die SPD verteidigt das OB-Amt, die CDU bleibt in Herne klar hinter der AfD als zweitstärkter Kraft zurück – und beide bilden dennoch die Kooperation. Dass die Wahl in Herne ohne Stichwahl entschieden wurde, belegen sowohl die lokale Ergebnisberichterstattung als auch landesweite Übersichten; diese Ausgangslage macht das Bedürfnis nach sichtbaren, termingebundenen Fortschritten umso größer.
Verglichen wurden die im Entwurf der Eckpunktevereinbarung (Stand 16.10.2025; internes Dokument) festgelegten Maßnahmen mit öffentlich belegbaren Parteizielen im Kommunalwahlkampf 2025. Für die CDU-Seite diente das offizielle Programm (PDF) als Primärquelle. Für SPD-Positionen wurden mangels frei zugänglicher Programm-Volltexte belastbare Sekundärquellen genutzt (Zeitungsberichte, städtische Projektseiten, Radiosendungen, …). Pro Themenfeld erfolgte eine Zuordnung „Ja/Teilweise/Nein“; daraus leitet sich das Verhältnis 5:3 für die CDU ab. Die Bewertung ist inhaltlich nachvollziehbar, revisionsfähig und wird bei Vorlage eines SPD-Programm-PDF auf Wunsch feinjustiert.