Herne. [sn] In ihrer heutigen [27.07.2023) Pressemitteilung teilte die Herner Bädergesellschaft mbH mit, dass die Deutsche Gesellschaft für Verbraucherstudien mbH (DtGV) das Sport- und Erlebnisbad Wananas nach einem sogenannten „Mystery Check“ als „Herausragendes Erlebnisbad 2023“ ausgezeichnet habe.
Deutschlandweit wurden Erlebnisbäder angeblich von Testpersonen der Verbraucherorganisation über mehrere Monate besucht, um sowohl den Service und die Angebote als auch die Familienfreundlichkeit und den Erlebnis- und Erholungswert zu prüfen. Mit einer Gesamtbewertung von 89 % hat das Wananas die Zielmarke von mind. 75 % sogar deutlich übertroffen, um das Prüfsiegel zu erhalten. Insbesondere trug hierzu der Service mit einer Bewertung von 95 % bei. Das Wananas sei nunmehr offiziell lizenziert, das Testsiegel „Herausragendes Erlebnisbad 2023 als objektiven Qualitätsnachweis zu führen. So die Bädergesellschaft weiter.
„Solch eine Auszeichnung erhält man nur dank engagierter Mitarbeiter*Innen und einer guten Zusammenarbeit. Ich möchte mich herzlich beim gesamten Team für den herausragenden Einsatz bedanken“, so Lothar Przybyl, Chef der Herner Bädergesellschaft. Dabei verschweigt der Geschäftsführer, dass die Prüfung und das Gesamtergebnis zwar „kostenfrei“ waren, die städtische Gesellschaft aber gegen Entgelt die Details sowie die Lizenz zur Nutzung des „Siegels“ erworben hatte. Przybyl stellt im Nachgang dazu klar, dass dies geschah um an möglichen Qualitätsverbesserungen für das Bad zu arbeiten und durchaus auch Defizite von außen betrachtet benannt zu bekommen.
Circa 790 EUR kostet die Nutzung eines solchen Testsiegels i. d. R. für ein Jahr, bei Filialverbünden 1.290 EUR. Für 539 EUR extra kann man sich die Auswertung der „Fragebögen“ anschauen.
Der Bädergesellschaft war wohl das Urteil des EuGH (Az.: C‑690/17) nicht bekannt, das unseriösen Testanbietern das Geschäft verderben soll. Das Gericht hatte bereits am 11.04.2019 entschieden, dass jeder ein Testsiegel nutzen kann, ohne dass er den Testveranstalter um Erlaubnis fragen muss, sofern der Testveranstalter keine nachgewiesene Marktdurchsetzung hat. Das hier ohne Zweifel der Fall sein dürfte. Auch die von der Zeitschrift Focus herausgegebene Ärzteliste hatte das LG München bereits am 13.02.2023 verboten (Az.: 4 HK O 14545/21, noch nicht rechtskräftig).
Auch der Aufsichtsratsvorsitzende Kai Gera zeigt sich ebenfalls stolz über diese „Auszeichnung“: „Das Wananas hat ein großartiges Ergebnis erzielt. Sowohl der Kundenservice als auch die Serviceorientierung, top Hygiene und kompetente Beratungen sind durchweg hervorragend bewertet worden. Das ist ein toller Zuspruch und Ansporn für die gesamte Belegschaft.“
Die Bädergesellschaft führt einige der Bewertungen mit TOP-Ergebnissen von „100 %“ an, im Einzelnen: Sauberkeit in den Duschen, Toiletten, Ruhebereichen, Bistro, Freundlichkeit und Kompetenz der Servicekräfte und Wasseraufsicht, Angebote für Kleinkinder, Sportschwimmer, Attraktionen im Erlebnisbecken und Angebote an Wasserrutschen etc. Wie „Sauberkeit“ zu 100 % erfüllt sein will dürfte bei jeder Hausfrau Unverständnis hervorrufen. Beim Besuch der Redaktion im Wananas war dies offensichtlich nicht der Fall. Fraglich bleibt auch was mit 100 % gemeint ist, was geprüft wurde und mit welchen Maßstäben / Untersuchungsverfahren / chem. Analysen hier tatsächlich untersucht wurde. Das Konzept des DtGB sieht jedenfalls z. B. bei Apotheken nur die (Selbs)Befragung mittels Fragebögen, sog. „Testfragen“ vor. Diese sind oft so gestellt, dass ein Scheitern so gut wie ausgeschlossen ist. Bei der Lektüre der Fragen zeigt sich allerdings, dass die Autoren nicht ganz sattelfest in der jeweiligen Branche unterwegs waren / sind.
Bekannt sind vielen die ebenfalls kostenpflichtigen Bewertungskonzept von Focus, Warentest und Öko-Test; hier können die Sieger nach Abschluss eines Lizenzvertrags mit ihrem guten Abschneiden werben. 2019 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass nicht nur Hersteller für die Nutzung bezahlen müssen, sondern auch Händler, die das Qualitätszeichen verwenden wollen. Die seriösen Siegel haben zahlreiche Trittbrettfahrer; der Splitterverband BVDA etwa kürte eine Zeitlang die „Medikamente des Jahres“.
Um der Täuschung durch sog. Fake-Qualitätssiegeln einen Riegel vorzuschieben, wurde unter Federführung des Bundesverbraucherministeriums bereits 2014 unter Mitarbeit von Stiftung Warentest, ÖKO-TEST, c’t (Heise) und ADAC die „Regeln der guten fachlichen Praxis des Testens“ verabschiedet und unterzeichnet. Darin heißt es unter anderem: „Gestattet ein Testveranstalter die Werbung mit seinen Testergebnissen, Marken oder sonstigen Kennzeichen, so sind die Bedingungen für die Gestattung einschließlich der Entgelte offenzulegen“. Bis heute haben nur diese vier Erstunterzeichner sich verpflichtet, die Regeln bei ihrer Arbeit zu beachten. Das sagt schon viel über die Mitbewerber aus.
Was das Siegel über das Wananas und die Herner Bädergesellschaft mbH aussagt, dass werden die Badegäste bei ihren Besuchen im Bad selbst erkennen. Die z. Zt. 1.822 Google-Rezessionen des Wananas und die sich daraus ergebende Note von 4,2 von 5 Sternen dürfte jedenfalls mehr Aussagekraft haben als ein kostenpflichtiges Siegel.
Mehr Informationen zu Testportalen und gefälschten Testergebnissen finden Sie bei der Stiftung Warentest und auf der Internetplattform testwatch – die Verbrauchernützer.