Herne / Paris (F). [sn] Die geplante Umgestaltung der sogenannten „Steinwüste“ um die Akademie Mont-Cenis in Herne-Sodingen sorgt für kontroverse Diskussionen. Die Entscheidung, die grauen Steinflächen rund um das Gebäude in eine grüne Oase zu verwandeln, mag für manche sinnvoll erscheinen, wird jedoch dem ursprünglichen Konzept und architektonischen Erbe der Anlage nicht gerecht. Der internationale Bekanntheitsgrad des Projekts, das 1999 als Leuchtturmprojekt für nachhaltige Architektur im Rahmen der IBA Emscher Park entstand, könnte durch diese Pläne erheblich beeinträchtigt werden. Eine Stellungnahme der verantwortlichen Architekten macht die Problematik deutlich und weist auf mögliche rechtliche Konsequenzen hin.
Die Akademie Mont-Cenis und das Konzept der Grauwackefelder
Die Akademie Mont-Cenis ist das Werk des renommierten französischen Architektenduos Françoise Hélène Jourda † und Gilles Perraudin (75). Im Einklang mit den Zielen der Internationalen Bauausstellung (IBA) wurde die Akademie als ein nachhaltiges, energieautarkes Gebäude konzipiert. Die zentrale Idee bestand darin, Industriearchitektur und ökologische Innovation miteinander zu verbinden. Die umgebenden Grauwackefelder, oft als „Steinwüste“ bezeichnet, wurden bewusst in das architektonische Konzept integriert. Die graue Steinlandschaft bildet einen bewussten Kontrast zur Architektur des Gebäudes und symbolisiert das industrielle Erbe des Ruhrgebiets.
Fehlender Dialog: Überraschung und Enttäuschung bei den Architekten
In einem Statement, das Raphaëlle-Iaure Perraudin von Jourda Architectes Paris (JAP) als Inhaberin der Urheberrechte zur Umgestaltung abgegeben hat, wird deutlich, dass die Architekten bis zur Anfrage der SN SONNTAGSNACHRICHTEN nichts von den Plänen der Stadt wussten. In ihrer Stellungnahme äußern sich JAP sichtlich überrascht und verärgert:
„[…] danke vielmals für diese Informationen, die wir nie gehabt haben. Wir wurden nicht gefragt. […]“
Diese Reaktion zeigt nicht nur das Unwissen der Architekten über die geplanten Änderungen, sondern auch das Fehlen einer grundlegenden Kommunikation. Die Stadt Herne hat bisher keinerlei Kontakt mit den Architekten JAP aufgenommen, um die geplanten Änderungen abzusprechen. Dies ist besonders problematisch, da die Architekten über Urheberrechte am Entwurf der Anlage verfügen, die eine Zustimmung zu solch weitreichenden Veränderungen erforderlich machen.
Rechtliche Konsequenzen und mögliche Schadensersatzforderungen
Die fehlende Kommunikation könnte nun erhebliche Folgen für die Stadt Herne haben. Die geltende Rechtsprechung sieht vor, dass Änderungen an architektonischen Werken, die wesentliche Teile des Konzepts betreffen, die Zustimmung der Urheber erfordern. Das Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers, § 64 UrhG (Regelschutzdauer). Im Falle der Akademie Mont-Cenis könnten die Architekten deshalb Schadensersatz in Höhe der Planungskosten des Umbaus geltend machen. Eine solche Forderung ist angesichts der rechtlichen Lage keineswegs abwegig und würde die Umgestaltungskosten deutlich in die Höhe treiben. Die gängige Rechtsprechung zeigt dies.
Die Architekten JAP sehen in den geplanten Veränderungen einen Eingriff in das architektonische und ästhetische Erbe, das sie einst für die Akademie Mont-Cenis schufen. Durch die fehlende Absprache mit den Rechteinhabern steht nun die Frage im Raum, ob die Stadtverwaltung die Bedeutung und den Wert des ursprünglichen Entwurfs vollständig verstanden hat.
Auch bei dem Versuch, die Wasserbecken vor der Akademie umzugestalten, hat die Stadt schon ehemals nicht den Kontakt zu den Architekten und Rechteinhabern gesucht.
Die Bedeutung des Erhalts des ursprünglichen Konzepts
Die Akademie Mont-Cenis ist mehr als nur ein städtisches Gebäude – sie ist ein internationales Beispiel für nachhaltige Bauweise, das die Grenzen traditioneller Architektur sprengt. Die „Steinwüste“ um das Gebäude ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Konzepts und steht symbolisch für die industrielle Vergangenheit der Region, die durch eine moderne, ökologische Zukunft abgelöst wurde. Ein vollständiger Umbau dieser Fläche würde nicht nur das architektonische Erbe gefährden, sondern auch die Authentizität und den kulturellen Wert der Anlage erheblich schmälern.
Ein Kompromiss könnte den Konflikt lösen
Um eine kostspielige rechtliche Auseinandersetzung zu vermeiden, wäre ein transparenter Dialog zwischen der Stadt Herne und den Architekten dringend erforderlich. Ein Kompromiss könnte darin bestehen, die Fläche vorsichtig und in Abstimmung mit den Architekten anzupassen, um die ökologische Zielsetzung zu erreichen, ohne das architektonische Erbe zu opfern. Nur durch die Wahrung des ursprünglichen Geistes und durch respektvolle Zusammenarbeit kann die Stadt Herne zeigen, dass sie den Wert des kulturellen Erbes inmitten der modernen Stadtentwicklung ernst nimmt.
Die geplante Umgestaltung der Grauwackefelder der Akademie Mont-Cenis zeigt, wie wichtig es ist, architektonische Werke in ihrer Ganzheit zu betrachten und den Dialog mit den Urhebern zu suchen. Die Stadt Herne steht nun vor der Herausforderung, das Erbe der Akademie Mont-Cenis zu wahren und gleichzeitig die ökologischen Ziele zu erreichen. Eine behutsame und partnerschaftliche Planung könnte hier der Schlüssel sein, um sowohl die architektonische Integrität als auch die Nachhaltigkeit dieser herausragenden Anlage sicherzustellen.