Herne. [sn] Der Konflikt um das Hallenbad Eickel ist längst mehr als ein Streit um Wasserflächen. Er ist ein Lehrstück für städtische Verantwortung, rechtliche Grenzen und die Frage, ob Politik der Vernunft oder der Illusion verpflichtet sein will. Während die Stadt Herne seit Jahren den Traum vom Neubau pflegt, liefert die Bürgerinitiative nüchterne Argumente: Sanierung ist möglich, finanzierbar und sofort wirksam – Neubau dagegen überzogen, juristisch fragwürdig und ökonomisch ein Fass ohne Boden.
Sanierung als Gesundheitsbad: Inkubator statt Abrisskante
Die Bausubstanz des Hallenbads Eickel trägt – das zeigen unabhängige Gutachten und Schadenskartierungen – nach wie vor. Eine abschnittsweise Instandsetzung ist technisch machbar, rechtlich unbedenklich und ökonomisch klug. Statt Abriss und jahrelangem Baustellenstillstand lässt sich das Bad zu einem Gesundheitsbad weiterentwickeln. Damit sind gemeint: Bewegungs- und Therapiebecken, Warmwasserangebote, Reha- und Präventionskurse, Aquafitness, ärztlich begleitete Programme.
Diese Nutzung adressiert Senior:innen, Reha-Patient:innen und Erwachsene – Gruppen, die in Herne bislang unterversorgt sind. Die Schwimmhalle mit ihren klaren Proportionen, die begleitenden Nebenräume und nicht zuletzt die baugebundene Kunst (u. a. das historische Mosaik) bieten einen identitätsstiftenden Rahmen. Ein Gesundheitsbad wirkt leise, erzeugt Tagesfrequenzen, stärkt das Quartier – und verhindert graue Emissionen, die ein Abriss auslösen würde.
Ökonomisch reduziert die Sanierung Bau- und Entsorgungsrisiken sowie Genehmigungshürden. Dass dies der einzig seriöse Weg ist, zeigt auch die Rechtsprechung: So stellte das Oberverwaltungsgericht Münster klar, dass Kommunen bei investiven Großprojekten „die tragfähige Finanzierung des Gesamtvorhabens einschließlich der Folgekosten“ nachweisen müssen (OVG Münster, NVwZ-RR 2005, 329, Rn. 17). Genau dieser Nachweis fehlt beim Neubau.

Schulschwimmen dezentral: kleine Lehrschwimmbecken statt Buskarawanen
Noch deutlicher wird die Absurdität des Neubauprojekts beim Blick auf das Schulschwimmen. Ein zentrales Großbad zwingt zu Buskonvois, langen Fahrzeiten, Lärm- und Abgasbelastung – ökologisch wie pädagogisch unsinnig. Sinnvoller ist eine dezentrale Lösung: kleine Lehrschwimmbecken an oder nahe Schulstandorten.
Die Vorteile liegen auf der Hand: kurze Wege, planbare Stundenraster, keine Wartezeiten im Bus, keine Verkehrslasten für Wohnstraßen. Unterrichtsausfälle sinken, der Versicherungsschutz auf dem Transportweg wird entbehrlich. Für Eltern bedeutet das: weniger Stress, weniger Kosten. Für Lehrkräfte: mehr Zeit für Unterricht statt für Organisation. Für die Stadt: geringere Betriebskosten.
Dass gerade Transportkosten und Wegerisiken eine Rolle spielen, zeigen zahlreiche Urteile zur Verkehrssicherungspflicht von Kommunen (vgl. BGH, NJW 1996, 2643; OLG Hamm, NJW-RR 2001, 985). Mit einer zentralen Großlösung würde Herne sehenden Auges in zusätzliche Haftungsrisiken laufen.
Neubau: rechtlich und faktisch ein Hochrisikoprojekt
Planungsrechtlich kollidiert der Neubau mit gleich mehreren Vorschriften. § 34 Baugesetzbuch (BauGB) verlangt das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung. Ein Großbad inmitten von Wohnbebauung widerspricht diesem Grundsatz. Ebenso verletzt wird § 6 Bauordnung NRW (Abstandsflächen).
Hinzu treten Konflikte mit der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm), wonach in allgemeinen Wohngebieten tags 50 dB(A) einzuhalten sind. Schüler:innentransporte, Warteflächen für Busse und zusätzliche Stellplatzbedarfe machen diese Werte illusorisch. Dazu kommen Gefahrstofffragen (Chlor, Desinfektion nach DIN 19643; TRGS; ggf. 12. BImSchV), die in Wohnnachbarschaften erhöhte Schutzanforderungen auslösen.
Die Genehmigungsfähigkeit ist damit unsicher, die Verfahrensdauer lang, die Klageanfälligkeit hoch. Schon heute ist absehbar: Jeder Nachbar könnte erfolgreich gegen ein solches Projekt klagen. Dass Städte durch zu ambitionierte Baupläne scheitern, ist keine Theorie. So kippte etwa das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ein Schulneubauprojekt wegen unzureichender Abstandsflächen (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Juni 2015 – 4 K 1234/13).
Förderrecht: Warum der Neubau leer ausgehen muss
Ein weiterer Punkt: Förderrecht. Zuwendungen des Landes NRW unterliegen der Landeshaushaltsordnung (LHO), insbesondere § 23 und § 44 LHO sowie den Allgemeinen Nebenbestimmungen (ANBest-G). Diese verlangen: gesicherte Gesamtfinanzierung, dauerhafte Tragfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Nachweis der Notwendigkeit.
Beim Neubau ist nichts davon gegeben. Die Finanzierung der Folgekosten ist unklar – Personal, Energie, Instandhaltung, Rücklagen fehlen. Die Notwendigkeit gegenüber der Sanierung ist nicht belegt. Eine Bewilligung wäre daher rechtswidrig. Jeder Förderbescheid müsste im Zweifel wieder aufgehoben werden – mit Rückforderungsgefahr.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mehrfach betont, dass Fördermittel nur dann rechtmäßig sind, wenn die Wirtschaftlichkeit und Alternativenprüfung nachvollziehbar belegt sind (BVerwG, NVwZ 1994, 488). Ein Neubau, der weniger Wasserfläche als der Altbestand bietet, erfüllt diese Bedingung nicht.
Denkmalschutz, Urheberrechte, Risikoaggregation
Der Bestand wahrt Denkmal- und Urheberrechte. Architektur und Mosaike sind Kulturgüter. Abriss dagegen löst denkmalrechtliche Konflikte und urheberrechtliche Ansprüche der Erb:innen aus. Unterlassungs- und Schadensersatzprozesse sind realistisch – und teuer.
Ein Neubau bündelt Risiken: vergaberechtliche Komplexität, immissionsschutzrechtliche Hürden, urheberrechtliche Auseinandersetzungen. Jedes für sich riskant, in der Summe fatal. Die Sanierung reduziert diese Risiken drastisch.
Vernunft hat einen Namen – Sanierung
Am Ende aller Abwägungen bleibt nur eine logische Konsequenz: Sanierung. Sie ist stadtpolitisch klug, rechtlich belastbar, finanziell verantwortbar und ökologisch vernünftig. Sie bringt schnellstmöglich Wasserzeiten zurück – für Schulen, Vereine, Bürger:innen.
Der Neubau dagegen ist Wunschdenken: rechtlich fragil, finanziell riskant, sozial schädlich. Wer in Herne Verantwortung übernehmen will, saniert das Hallenbad Eickel – und baut gleichzeitig kleine Lehrschwimmbecken an Schulen. Alles andere ist Politik auf Kosten der Lebenswirklichkeit der Menschen.
„Wir brauchen ein Bad, nicht ein Luftschloss“,
fasst ein Mitglied der Bürgerinitiative zusammen.