Düsseldorf. [sn] – Die Verführung beginnt mit einem Lächeln in die Kamera, untermalt von religiöser Musik und scheinbar wohltätigen Aufrufen: „Spende für unsere Brüder in Not“. Hunderttausende folgen dem islamistischen TikToker „Abdelhamid“, bürgerlich Dehran Asanov, der nun vor Gericht gestanden hat, seine Reichweite auf perfide Weise missbraucht zu haben – nicht nur für einen Spendenbetrug in Höhe von rund 500.000 EUR, sondern mutmaßlich auch zur stillen Radikalisierung.
Ein salafistischer Lifestyle-Star mit Hang zu Rolex und AMG
Der 34-jährige Dehran Asanov aus Düsseldorf, der sich im Netz als salafistischer Prediger „Abdelhamid“ inszenierte, sammelte zwischen 2021 und 2024 auf Plattformen wie TikTok und Instagram Gelder ein, angeblich für Bedürftige in Palästina. In Wahrheit leistete er sich damit Luxusartikel – unter anderem eine Rolex für 14.000 EUR, Designertaschen und einen AMG-Mercedes.

Die Düsseldorfer Polizei fand bei einer Hausdurchsuchung nicht nur Bargeld in fünfstelliger Höhe, sondern auch mehrere hochpreisige Uhrenmodelle, die der Prediger über Soziale Medien zur Schau gestellt hatte. Besonders zynisch: Während er auf TikTok um Spenden bat, bezog er gleichzeitig Leistungen vom Jobcenter – ein Fall von offenem Sozialbetrug, wie die Staatsanwaltschaft festhält.
Internetmissionare als digitale Rattenfänger
Der Fall ist kein Einzelfall – sondern symptomatisch für eine neue Form religiöser Radikalisierung im Netz. Islamistische Prediger und sektiererische Bewegungen nutzen Plattformen wie TikTok, Instagram und YouTube nicht mehr nur zur Meinungsmache, sondern zur gezielten Einflussnahme auf eine besonders gefährdete Zielgruppe: Kinder, Jugendliche und Heranwachsende.
In kurzen Clips werden Inhalte verpackt wie Werbespots: stylisch, emotional, „nahbar“. Dass dahinter eine fundamentalistische Ideologie steckt, erkennen viele zu spät – wenn überhaupt. Experten warnen seit Jahren davor, dass das Internet zur Bühne für moderne Missionare und Rekrutierer extremistischer Szenen geworden ist – und das weitgehend unreguliert.
Was wir hier erleben, ist kein Einzelfall, sondern ein digitaler Kulturkampf um die Seelen unserer Kinder.
Neben salafistischen Gruppen seien auch sektenähnliche Organisationen sowie pseudochristliche Endzeitgemeinschaften aktiv. Gemeinsam ist ihnen die Manipulationsstrategie: Verunsicherung, einfache Botschaften, Spendenaufrufe – oft flankiert von Verschwörungstheorien und der Dämonisierung des „Westens“.
Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt
Es geht längst nicht mehr nur um Betrug. Es geht um Radikalisierung, um Unterwanderung, um gesellschaftlichen Sprengstoff. Die Verherrlichung von Geschlechtertrennung, Frauenverachtung, Gewalt gegen Andersgläubige oder sogar der Scharia als angeblich „bessere Ordnung“ wird online subtil inszeniert – mit Likes, Kommentaren und Herz-Emojis.
„TikTok ist der neue Schulhof – aber ohne Lehreraufsicht“, sagt ein Jugendsozialarbeiter aus Essen. Und fügt hinzu: „Die Plattform ist voll von religiösen Clickbait-Videos, die bei uns ankommen – oft von Zwölfjährigen geteilt.“
Die Inhalte orientieren sich häufig an populärkulturellen Codes, sind aber religiös aufgeladen. Besonders perfide: Viele der Influencer treten nicht wie klassische Prediger auf, sondern wie Kumpel, große Brüder oder Vorbilder im Streetstyle-Look. Die Grenze zwischen Unterhaltungsinhalten und religiöser Manipulation verwischt dabei gefährlich.
Rechtliche Leere und politische Sprachlosigkeit
Bislang bleibt der Staat bei der Kontrolle solcher Inhalte auffallend zögerlich. Während kommerzielle Werbung im Netz klar reguliert ist, gilt für religiöse und weltanschauliche Inhalte de facto Meinungsfreiheit – selbst wenn diese in Missionierung, Indoktrinierung oder gar Radikalisierung münden. Es fehlt an rechtlichen Instrumenten und klaren Regelungen.
Ein Verbot religiöser Werbung und Missionierung auf öffentlichen Plattformen wäre möglich – wenn der politische Wille vorhanden wäre. Die verfassungsrechtliche Grundlage dafür ließe sich etwa aus dem Schutz der Jugend gemäß Art. 5 Abs. 2 GG herleiten. Auch § 176 StGB (Einwirkung auf Minderjährige) oder das Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) bieten Ansatzpunkte.
Ein digitales Missionierungsverbot ist verfassungsgemäß, wenn es dem Schutz Minderjähriger vor religiöser Indoktrination dient und keine legitime Glaubensausübung unterbindet.
Auch die Landesmedienanstalten könnten mehr tun, sind aber personell unterbesetzt. So bleibt es bislang meist engagierten Bürgern überlassen, dubiose Inhalte zu melden – oder eben der Aufmerksamkeit einzelner Journalisten.
Wer schützt unsere Kinder?
Ein sofortiges Verbot von religiöser Werbung und Missionierung auf TikTok, Instagram, YouTube und vergleichbaren Plattformen – insbesondere, wenn diese sich an Minderjährige richten muss endlich verboten werden. Es braucht ein Update der Gesetzgebung, eine klare Regulierung durch die Landesmedienanstalten und ein verpflichtendes Monitoring der Plattformbetreiber.
Der Fall „Abdelhamid“ zeigt: Wenn ein einzelner Influencer mit einem Instagram-Kanal hunderttausende Euro generieren und gleichzeitig eine radikale Ideologie verbreiten kann, dann ist das Netz zur unkontrollierten Gefahrenzone geworden.
Was früher die Fußgängerzonen predigender Sektenmissionare waren, sind heute virale Clips mit Millionenreichweite. Die neuen Rattenfänger der Generation Z tragen keine Kutten mehr – sondern tragen Turnschuhe, Selfiesticks und das Handy stets in der Hand.
Dass TikTok ausgerechnet aus einem autoritären Regime stammt und in seiner Heimat zensierte Inhalte zeigt, während es hierzulande als vermeintlich freie Plattform agiert, unterstreicht die politische Brisanz.
Statt wegzuschauen, braucht es eine breite gesellschaftliche Debatte über Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und den Schutz junger Menschen in der digitalen Öffentlichkeit – und endlich politische Entscheidungen.