Herne / Lahr. [sn] Wann muss die Auskunftei Schufa den Eintrag über eine Restschuldbefreiung nach einer Verbraucherinsolvenz löschen? Mit dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshof (BGH) am 14.02.2023 beschäftigen. Da ähnliche Verfahren am Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorliegen, sieht es nach dem ersten Verhandlungstermin danach aus, dass der 6. Zivilsenat des BGG mit seinem Urteil auf die Entscheidung des obersten europäischen Gerichts warten möchte (Az.: VI ZR 225/21). Im Verfahren geht es um einen Verbraucher, der nach einer abgeschlossenen Privatinsolvenz Nachteile durch einen entsprechenden Schufa-Eintrag erlitten hatte. Er verlangte bereits nach sechs Monaten die Löschung des Eintrags durch die Schufa. Die Schufa beharrte auf die Löschung erst nach drei Jahren. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer bietet Verbrauchern mit Schufa-Problemen eine kostenlose Erstberatung im Online-Check an. Mehr Infos zum Thema Schufa gibt es auf unserer speziellen Website.
Schufa-Eintrag behindert Neuanfang nach Privatinsolvenz
Wer endlich schuldenfrei ist, strebt einen unbelasteten Neuanfang an. Auskunfteien wie die Schufa stellen bei dem Unterfangen eine gewaltige Hürde dar. Die Schufa speichert die sogenannte Restschuldbefreiung nach einer abgewickelten Privatinsolvenz für drei Jahre. Die Nachteile für Betroffene können enorm sein. Kein Kredit, keine Wohnung, kein Bankkonto und kein Neuanfang. Ein Betroffener wollte mit seiner Klage die Löschung des Eintrags über seine Privatinsolvenz erzwingen. In erster Instanz bekam die Schufa Recht, in der zweiten am Oberlandesgericht Schleswig der Verbraucher. So landete das Verfahren am Bundesgerichtshof. Am 14.02.2023 war erster Verhandlungstag. Das Gericht wollte allerdings noch nicht entscheiden. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst das bisherige Verfahren zusammen:
- Der Verbraucher beantragte nach einer gescheiterten Selbständigkeit im September 2013 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Privatvermögen. Das Insolvenzverfahren wurde durchgeführt und dem Kläger wurde nach sechs Jahren am 11.09.2019 die Restschuldbefreiung erteilt. Diese Information wurde auf dem zentralen, deutschlandweiten Insolvenzportal www.insolvenzbekanntmachungen.de veröffentlicht. Die Wirtschaftsauskunftei Schufa erhob dort die Daten und stellte sie ihren Vertragspartnern bei Auskunftsanfragen zum klagenden Verbraucher zur Verfügung.
- Der Verbraucher verklagte die Schufa auf Löschung des Eintrags. Ihm seien durch den Eintrag erhebliche Nachteile entstanden. Eine uneingeschränkte Teilhabe am Wirtschaftsleben sei ihm nicht möglich. Er könne aufgrund des Eintrags kein Darlehen aufnehmen, keinen Mietkauf tätigen und keine Wohnung anmieten. Derzeit könne er nicht einmal ein Bankkonto eröffnen. Die Schufa wies das Ansinnen zurück. Gemäß den Verhaltensregeln des Verbandes „Die Wirtschaftsauskunfteien e.V.“ werden die Daten erst drei Jahre nach Beginn der Speicherung gelöscht. Die Daten seien bonitätsrelevante Informationen und daher für die Vertragspartner der Schufa von berechtigtem Interesse.
- Das Oberlandesgericht Schleswig gab der Klage auf Löschung des Eintrags statt. Das Gericht war zu Auffassung gekommen, dass die Speicherung der Restschuldbefreiung durch die Schufa Holding AG und anderen Auskunfteien nach Artikel 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO nur für sechs Monate zulässig sei. „Denn es liegt auf der Hand, dass das Ziel, einem Schuldner (…) einen Neustart zu ermöglichen, durch eine weitere Publizität der früheren Insolvenz erschwert wird.“ Außerdem fehle es am berechtigten Interesse der Schufa-Kunden (Urteil vom 02.07.2021 – Az. 17 U 15/21).
- Mehrere ähnliche Verfahren liegen am Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor – darunter zwei Verfahren des Verwaltungsgerichts Wiesbaden (Az.: 6 K 226/21.WI und 6 K 441/21.WI). Der Vorsitzende Richter am BGH Stephan Seiters wies in der der Verhandlung am 14.02.2023 auf eines der Verfahren aus Wiesebaden hin. Die Anwälte der Kläger und Beklagten sprachen sich in Verhandlung nach Medienberichten dafür aus, dass der BGH mit seiner Entscheidung in dem Verfahren auf den Ausgang am EuGH warten sollte. Der BGH wollte noch nicht abschließend entscheiden. Daher kann es möglich sein, dass der Senat tatsächlich auf den EuGH wartet. Der BGH muss Urteile des EuGH in nationale Rechtsprechung umsetzen.
DSGVO stärkt Verbraucherrechte gegen Auskunftei Schufa
Bis zur Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Jahr 2018 konnten nach geltender Rechtsprechung Auskunfteien nach Erteilung der Restschuldbefreiung die beendete Privatinsolvenz für insgesamt drei Jahren speichern und in ihrer Bonitätsbewertung (Score) berücksichtigen. Mit Einführung der DSGVO kam neue Bewegung in die Diskussion. Denn nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO kann eine Löschung unter anderem dann verlangt werden, wenn die Verarbeitung nicht rechtmäßig und nach dem Verarbeitungszweck nicht mehr notwendig ist oder wegen einer besonderen persönlichen Situation. Gerade die persönliche Situation nach einer abgeschlossenen Insolvenz ist für Verbraucher heikel. Ein negativer Schufa-Eintrag behindert in jedem Fall den vom Gesetzgeber gewollten Neustart des ehemaligen Schuldners durch die sogenannte Verbraucherinsolvenz.
Die DSGVO stärkt aus Sicht der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer die Rechte der Verbraucher auch gegen Auskunfteien wie die Schufa. Die Kanzlei rät Verbrauchern, die Probleme mit Schufa-Angelegenheiten haben, daher zur anwaltlichen Beratung. Im kostenfreien Online-Check und der kostenlosen Erstberatung zeigen wir Möglichkeiten auf, wie Schufa-Einträge geprüft und gelöscht werden können.
Wer ist von Restschuldbefreiung betroffen?
Mit einer Verbraucherinsolvenz oder Privatinsolvenz sollen überschuldete Verbraucher die Chance erhalten, noch einmal von vorne anfangen zu können. Dabei sollen sie frei von Forderungen ihrer früheren Gläubiger sein. Die Gläubiger erhalten für die Dauer des Verfahrens das pfändbare Vermögen und Einkommen. Der Schuldner darf nur das zum Leben Notwendige behalten. Das hört sich krass an, aber am Ende des Verfahrens werden die restlichen Schulden erlassen. 2021 waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden mehr als 78.600 Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Die Wirtschaftsauskunftei Crif zählte für dasselbe Jahr etwas mehr als 109.000 Privatinsolvenzen und rechnete im Oktober 2022 mit rund 100.000 Fällen im Gesamtjahr. Laut Crif geht es dabei nicht unbedingt um sehr große Summen: Ein Großteil der Betroffenen hatte demnach Schulden von knapp unter 10.000 EUR. Die Zahl der überschuldeten Menschen liegt deutlich höher – nach dem „Schuldneratlas“ der Auskunftei Creditreform waren es 2022 knapp 5,9 Mio.
Nach Auskunft der Schufa waren im dritten Quartal 2022 rund 302.000 Menschen mit Restschuldbefreiung erfasst. Nur bei ungefähr 41.000 davon war diese Information noch kein halbes Jahr alt. Bei den restlichen 261.000 müsste sie bei einer Niederlage also gelöscht werden.