Altmark/Gladbeck/Herne. [sn] Wer krank ist, braucht Hilfe. Doch immer mehr Betroffene scheitern nicht an der Diagnose, sondern an der Krankenkasse. Ob ein dringend benötigter Rollstuhl, eine Reha-Maßnahme oder eine psychotherapeutische Behandlung: Zahlreiche Anträge auf Leistungen werden abgelehnt. Die gute Nachricht: Fast jede dritte Ablehnung ist juristisch anfechtbar – und mit dem richtigen Vorgehen lassen sich viele Leistungen doch noch durchsetzen.
Wachsende Zahl an Ablehnungen durch die Krankenkassen
Rund 15 % aller Leistungsanträge bei gesetzlichen Krankenkassen wurden laut dem Wissenschaftlichen Institut der AOK im Jahr 2022 abgelehnt – bei 3,5 Millionen Anträgen also etwa 525.000 Mal. Gründe gibt es viele: Formfehler, fehlende Nachweise, unklare Bedarfslagen. Zugleich wächst der finanzielle Druck auf die Kassen. 2024 betrug das Defizit rund 6,2 Milliarden EUR – ein Umstand, der sich auch auf die Bewilligungspraxis auswirkt. Für 2025 erwarten Experten eine weiter steigende Zahl an Negativbescheiden.
„Viele Ablehnungen erfolgen pauschal, obwohl die medizinische Notwendigkeit eigentlich belegt ist“, sagt Stella Madeleine Meyer, Head of Product beim Verbraucherportal widerspruch.online.
Das Portal bietet Patientinnen und Patienten eine einfache Möglichkeit, sich rechtlich zur Wehr zu setzen – kostenlos und ohne komplizierte Verfahren. Hinter dem Service steht die Hamburger Smart Legal GmbH, die 2019 vom Juristen Jan Philippe von Hagen gegründet wurde. Ziel: Menschen in schwierigen Lebenslagen zu ihrem Recht verhelfen.
Der richtige Weg zum positiven Kassenbescheid
Laut Meyer hängt der Erfolg eines Antrags auf Krankenkassenleistungen entscheidend von dessen Qualität und Vollständigkeit ab:
Gründliche Antragstellung: Schon beim ersten Einreichen müssen alle relevanten Dokumente enthalten sein – etwa ärztliche Atteste, Diagnosen, Therapiepläne oder Verordnungen.
Fristen im Blick behalten: Die Krankenkasse hat maximal 3 Wochen Zeit zur Entscheidung, bei medizinischen Gutachten bis zu 5 Wochen. Erfolgt keine Antwort, kann eine fiktive Genehmigung greifen.
Ablehnung = Chance auf Widerspruch: Ein Nein ist kein Ende. Innerhalb eines Monats können Versicherte Widerspruch einlegen. Laut interner Auswertungen von widerspruch.online sind rund 33 % der Ablehnungen angreifbar.
Online zum Widerspruch: „Viele Betroffene wissen gar nicht, wie einfach es sein kann“, so Meyer. Per Upload des Ablehnungsbescheids auf der Plattform werde automatisch ein juristisch geprüftes Schreiben erstellt.
Kostenfrei und rechtssicher begleitet: Die angeschlossenen Anwälte helfen auch bei komplexen Fällen – etwa bei Psychotherapieanträgen, der Versorgung mit medizinischem Cannabis oder behindertengerechten Mobilitätshilfen.
Wer sich selbst nicht zutraut, den Papierkrieg gegen die Krankenkasse aufzunehmen, findet in der digitalen Rechtsdienstleistung einen wichtigen Verbündeten.
Auch Verbraucherschützer warnen regelmäßig vor dem voreiligen Aufgeben.
„Nicht selten spielt die Hoffnung auf Erschöpfung eine Rolle – Kassen setzen auf Resignation“, so ein Vertreter der Verbraucherzentrale.
Wer sich zur Wehr setzt, hat gute Chancen. Auch aktuelle Urteile stärken die Rechte der Versicherten:
Leitsatz: Ein Versicherter darf die Leistung auch rückwirkend beanspruchen, wenn die Ablehnung rechtswidrig war. (BSG, Urt. v. 26.03.2021 – B 1 KR 25/20 R)
Auch im Bereich der Psychotherapie wurde jüngst durch das Bundessozialgericht klargestellt:
Leitsatz: Die Kasse darf außervertragliche Psychotherapie nur in Ausnahmefällen ablehnen, wenn ein begründeter Mangel an Vertragsärzten vorliegt. (BSG, Urt. v. 15.07.2021 – B 1 KR 9/21 R)
Immer wieder führen Entscheidungen der Krankenkassen auch zu sozialen Härten. Gerade ältere Menschen, Alleinerziehende oder Menschen mit Behinderung sind von der Versorgung abgeschnitten – obwohl gesetzlich ein Anspruch besteht.
„Unser Hauptaugenmerk liegt auf dem Schutz und der Stärkung von Personen, die mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche sonst alleine dastehen“, so Meyer.
Auch auf tagesschau.de ist die Problematik zunehmender Leistungsablehnungen bereits Thema gewesen.
Betroffene sollten keinesfalls zögern. Ein Widerspruch bedeutet keine Klage – sondern die Chance auf Überprüfung. Und oft genügt der zweite Blick, um doch noch zur richtigen Entscheidung zu kommen.
Die Redaktion empfiehlt zudem einen Blick in die Ratgeberliteratur zum Thema Krankenkassenrecht sowie unsere eigene Rubrik Gesundheit.