Berlin/Herne. [sn] – Der Abriss des alten Hallenbades in Wanne-Eickel ist wohl eine beschlossene Sache. Mit überwältigender Mehrheit votierten drei Fachausschüsse sowie die Bezirksvertretung Eickel für den Verwaltungsentwurf. Mitgetragen wurde die Entscheidung auch von den Herner Grünen – und damit von einer Partei, die bundesweit für den Erhalt von Bestandsbauten, Kreislaufwirtschaft und ressourcenschonendes Bauen eintritt. Dieser Widerspruch wirft Fragen auf – nicht nur bei den Gegnern des Projekts, sondern auch bei politisch nahestehenden Bürgern.
Seit Jahren setzen sich grüne Bundespolitiker für die Umnutzung statt den Abriss von Altbauten ein. Der Verzicht auf Abriss schützt sogenannte „graue Energie“ – also die bereits in ein Gebäude investierten Ressourcen und Emissionen. Im Bundestag forderte die Fraktion mehrfach ein „Abrissmoratorium“. Wie Wikipedia beschreibt, steht diese Strategie unter dem „Leitbild der Umbaukultur„.
Doch genau dieser Weg wurde in Herne verlassen. Das Hallenbad Eickel – ein Stück Nachkriegsmoderne mit künstlerischer Ausstattung – wird nun abgerissen. Der Grünen-Stadtverordnete Fabian May rechtfertigte dies mit dem Argument, die Bürgerinitiative habe „Fakten erfunden“ und „Menschen und Firmen rufschädigend angegangen“, ohne jedoch Ross und Reiter zu nennen. Die Debatte ist danach durch das geplante Zündeln von May völlig aus dem Ruder gelaufen.
Tatsächlich hatte die Bürgerinitiative über 18.000 Unterschriften gesammelt und auf eine Sanierung gedrängt. Auch die Denkmalschutzwürdigkeit des Gebäudes war öffentlich diskutiert worden. Ein fachliches Gutachten des LWL aus dem Jahr 2018 bescheinigte dem Bau sogar denkmalwürdige Merkmale.
Politische Beobachter in Herne spekulieren inzwischen über den wahren Grund für das Abstimmungsverhalten der Grünen: parteipolitisches Taktieren. Derzeit ist absehbar, dass die nächste Kommunalwahl keine klare Mehrheit bringen wird – eine Dreierkoalition scheint wahrscheinlich. Die Grünen könnten sich durch ihr Abstimmungsverhalten als berechenbarer Partner für SPD und CDU präsentieren wollen.
Dass die Entscheidung innerhalb der Fraktion nicht unumstritten war, zeigte sich am Rande der Sitzung. Der Grünen-Antrag, wenigstens „charakteristische Gestaltungselemente des alten Hallenbads“ in den Neubau zu übernehmen, wurde zwar angenommen – wirkt jedoch eher wie ein symbolischer Trostpreis.
Die SPD selbst hatte diesen Vorschlag übrigens bereits im Februar öffentlich geäußert – ihn aber offenbar verworfen. Dass nun ausgerechnet die Grünen diesen Punkt erneut einbrachten, deutet auf internen Druck hin. „Wir haben uns alle viel zu verzeihen in der Debatte“, sagte May. Für viele Wähler klingt das eher nach Rückzug als nach grüner Haltung.
Dabei sind die ökologischen und wirtschaftlichen Argumente gegen den Abriss bekannt: Die Sanierung des Bades wäre laut Aussagen der Bürgerinitiative günstiger gewesen. Auch der Leitfaden zur nachhaltigen Bestandsentwicklung des BBSR rät zum Erhalt nutzbarer Substanz. Der Bau eines neuen Bades ist mit rund 17 Mio. EUR kalkuliert – in Zeiten knapper Haushalte ein ambitioniertes Projekt.
Im politischen Diskurs drängt sich daher eine Frage auf: Warum stimmen die Grünen in Herne für eine Lösung, die ökologisch nachteilig, teuer und politisch spaltend ist? Die Antwort liegt wohl weniger im Sachverstand als in der Strategie.
In der Debatte ging es längst nicht mehr nur ums Schwimmen. Es ging um Macht, Einfluss und die Kontrolle über öffentliche Narrative.
Das Abstimmungsverhalten der Grünen ergibt auch mit Blick auf eine schnellere Umsetzung des neuen Hallenbades wenig Sinn. Denn wenn der Bürgerwille nicht berücksichtigt wird, bleibt letztlich nur der Weg durch sämtliche gerichtlichen Instanzen, Anträge auf Denkmalschutz und schließlich ein Bürgerbegehren als Bremse. Sportdezernent Andreas Merkendorf hat selbst davor gewarnt, dass ein erfolgreiches Bürgerbegehren im schlimmsten Fall das gesamte Projekt zum Scheitern bringen könnte. Der Abrissbeschluss bringt also vor allem eines mit sich: Er bringt die Bürger auf die Palme gegen die Grünen, die 2020 mit gerade einmal 7.723 Stimmen in den Stadtrat einzogen.
Die Grünen in Herne haben sich für ein falsches Prinzip entschieden, sich inzwischen gegen alles und alle zu stellen:
Gegen die eigenen Ideale der eigenen Parteivorgaben, gegen Nachhaltigkeit, gegen Ökologie, gegen Kostentreiberei, gegen engagierte Bürger, gegen Denkmalschutz und gegen eine stadtbildprägende Ortsentwicklung.
Wie auf der Seite der Grünen Herne nachzulesen ist, bezieht sich die Partei öffentlich auf die Bundesziele – in diesem Fall allerdings ohne lokale Konsequenz.
Es bleibt abzuwarten, ob diese Rechnung aufgeht. Oder ob – wie manche hoffen – ein einzelner Grüner noch zum politischen Außenseiter wird, zum letzten Mahner in einem Parteienfilz, der Bürgerinteressen allzu oft für Koalitionsmehrheiten opfert.