Herne. [sn] Welchen Unsinn müssen sich die Bürger von Wanne-Eickel eigentlich noch so alles von der Stadtverwaltung in Herne gefallen lassen? Umschreiben wir es so: „Raumschiff Enterprise landet in Wanne-Eickel“; „Die Traber-Familie stellt neuen Weltrekord auf und balanciert 1.000 m auf einem Seilbahn-Tragseil über den Eisenbahngleisen am Hbf Wanne-Eickel“; „Die Nazis wollten Prora bauen, die Herner SPD baut das ITW“ oder „ITW *H wird so groß wie Speers Kuppel der Großen Halle (auch Ruhmeshalle oder Halle des Volkes) der Welthauptstadt Germania“.
Diesmal sozialistische Stadtentwicklung, bedeutet: Gebäude werden oft in großem Maßstab errichtet, um die Macht und Stärke des Staates zu betonen. Das Individuum sollte in großen, massigen Strukturen untergehen. Bis heute hat es die SPD nicht verstanden, warum Menschen in solchen Strukturen nicht leben können, nicht leben wollen.
Die völlig überzogene Ideenskizze International Technology World Herne (ITW *H) zeugt mal wieder von völlig überzogener sozialistisch-städtebaulicher Großmannssucht der SPD.

Eigentlich dachte ich immer man hätte aus den Fehlern des Stadtumbaus der 60er / 70er Jahre gelernt. Es scheint wohl nicht so zu sein.
Zur Frage, ob es sich bei dem Projekt ITW *H um Größenwahn handelt, meint Olaf Semelka (SPD Stadtverordneter): „Nein – Nennt sich Stadtentwicklung – auch wenn es manchem nicht gefällt.“
Das dieses größenwahnsinnige Projekt ITW *H kaum einem Wanne-Eickeler gefällt zeigt auch der berechtigte Widerstand der Bürgerinitiative „Stadtwald Herne – Wir wollen Wald!“ die sich für eine Begrünung der Fläche engagiert. Mal abgesehen davon hat bereits die artenschutzrechtliche Vorprüfung Vorkommen planungsrelevanter Arten nachgewiesen. Die vertiefende Artenschutzprüfung läuft derzeit, daher lassen sich zu diesem Ideenskizzenzeitpunkt Maßnahmen oder konkrete Flächenansprüche für die Natur noch gar nicht darstellen. Hier werden jetzt vielleicht Flächen überplant, die später nicht zu Verfügung stehen.
Als jedoch auf einem Teil der Fläche der ehem. Zeche Schamrock 3/4/11 sich der Zughersteller Stadler mit einer Werkstatt angesiedelt hatte, war dies ein schwerer Schlag für die nachhaltige und städtebauliche Entwicklung des Geländes, denn große Flächen standen fort an für eine Überplanung nicht mehr zur Verfügung. Nicht der erste Fehler in dem Planungszirkus.
Wanne-Eickel ist keine Weltstadt wird es auch nie sein, keine Großstadt, nach Zahlen vielleicht schon (bevor Herne eine war) aber eben kein politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum, nur ein plumper „Vorort“ von Herne, nein besser von Bochum. Mit einem bestimmten Schlag von großartigen, offenen, einfachen Menschen. Wenn man das verstanden hat, dann kann man kleinteilige, menschliche Strukturen entwickeln.
Jedenfalls kann man in dieses hier vorhandene traditionelle, nostalgisch-bürgerlich, adaptiv-pragmatische gefärbte, teilweise prekäre Arbeiter- und Angestellten-Milieu nicht eine Exklave derer intellektuellen, neo-ökologischen, fortschrittlichen Werte-Elite und der postmateriellen Individualisten pflanzen. Der Obdachlose und der Bürgergeld-Empfänger werden am Wanne-Eickeler Hauptbahnhof stehend sich über die in der Seilbahn hereinschwebenden Eliten köstlich amüsieren. Ich sehe schon jetzt die Bilder vor mir.
Für die geplante Seilbahnverbindung zum Hauptbahnhof Wanne-Eickel wurde eine Machbarkeitsstudie beauftragt. Eine Steuergeldverschwendung vom Feinsten in den Augen vieler Herner Bürger.
Anstatt die Linien 306 / 316 um einen rund 1.000 m langen U-Bahn-Tunnel unter den Gleisen am Hauptbahnhof Wanne-Eickel zum ITW *H zu verlängern oder die bis dato auf Herner Stadtgebiet parallel fahrenden Linien 306 / 316 zu entwirren um z. B. die Linie 306 auf eigenem Gleisbett die Dorstener Str. (B 226) ca. drei Kilometer bis zum ITW *H zu führen oder / und diese auch noch weitsichtig bis zum Cranger Festplatz um weitere zwei Kilometer zu verlängern (um die Kirmes und das dortige Industrie- / Gewerbegebiet anzubinden um in beiden Fällen bereits vorhandene Strukturen der Bogestra zu nutzen. Wobei auch andere Teile der Stadt davon durchaus profitieren würden. Die Straßenbahn und die U-Bahn haben viele weitere Vorteile. Sie sind effizient, zuverlässig und umweltfreundlich. Sie können große Mengen an Passagieren transportieren und helfen, den Verkehr auf den Straßen zu reduzieren. Das würde man nachhaltige Stadtentwicklung nennen und nicht diesen Seilbahn-Zirkus.
Stattdessen kommt man lieber auf die Idee eine völlig sinnfreie Seilbahn bauen zu wollen, die wetterbedingt nicht immer zuverlässig zu nutzen sein wird und für die völlig neue Strukturen für Wartung, Betrieb und Ticketing entwickelt werden müssen. Außerdem muss man immer einmal mehr umsteigen im Gegensatz zu den zwei alternativen vorstehenden Lösungen.
Richtig, die Lösung U-Bahn Verlängerung mag eine der teuersten sein (ca. 200 Mio. EUR Baukosten), die Lösung Straßenbahn (ca. 90 Mio. EUR) aber eine der günstigsten. Denn die Kosten der Seilbahn (geschätzt lt. Stadt Herne 40 Mio. EUR) sind mangels vergleichbarer in Deutschland umgesetzter Projekte und schon gar nicht für die Betriebskosten (Unterhaltungskosten) seriös abschätzbar. Die Zugspitzbahn wurde mit 30 Mio. EUR geschätzt und hat nachher fast das Doppelte gekostet. Alles immer getragen davon, dass es auch eine Auslastung der Seilbahn durch Fahrgäste gibt. Bei „nur“ 1.500 neuen Arbeitsplätzen auf dem Gelände eine waghalsige Berechnung. Bei der U-Bahn und erst recht bei der Straßenbahnlösung wird es neben den „1.500“ neuen Arbeitsplätzen mit Sicherheit weitere Nutzer geben, die vom Auto auf den ÖPNV umsteigen werden. Diesen entscheidenden Vorteil hätte die Seilbahnlösung nicht.
Abgesehen davon hätte der Planungsauftrag, wenn man der Entscheidung des EuGH, Az.: C-574/10, Urteil vom 15.03.2012 folgen würde nach Meinung eines Sachverständigen, nicht als Direktauftrag vergeben werden dürfen. Denn Planungsleistungen, die in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität aufweisen, dürfen nicht in einzelne Abschnitte bei der Schätzung des Schwellenwertes aufgeteilt werden. Ausschreibenden Stellen umgehen so häufig die meist aufwändigere, europaweite, öffentliche Ausschreibung. Ohne bei unserer Anfrage hin ins Detail gehen zu wollen, teilte die Stadtverwaltung dazu plump mit, dass die Leistungen von den jeweilig zuständigen Fachbereichen im Rahmen der geltenden Vergabevorschriften vergeben wurden.
Der Autor beschäftigt sich seit 2001 mit Abschlussbetriebsplänen für Bergbaubetriebe, der Folgenutzung von ehem. Bergwerkstandorten und war an dem Bau des neuen Heizkraftwerks auf Shamrock planerisch beteiligt.