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Gelsenkirchen / Herne. [sn] Offener Brief des Vorstands des BUND NRW Kreisgruppe Herne an den Oberbürgermeister und die Stadtverordneten (von SPD, CDU, GRÜNEN, LINKEN, FDP, PIRATEN und UNABHÄNGIGE BÜRGER) der Stadt Herne:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Dudda,
sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete,
der BUND NRW e. V. hat die Klagen gegen den Bauvorbescheid und die Baugenehmigung für das Bauprojekt Bergstr. 63C am 27.04.2023 vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gewonnen.
Im Namen des Volkes wurden Bauvorbescheid und Baugenehmigung für rechtswidrig erklärt.
Am Tag nach der Urteilsverkündung beantragte unser Anwalt logischerweise einen erneuten Baustopp, denn ein Weiterbauen mit einer rechtswidrigen Baugenehmigung darf es nach unserem Rechtsverständnis nicht geben.
Die schriftliche Urteilsbegründung liegt erst seit heute (08.05.2023) vor. Vertreter unserer Kreisgruppe waren beim Ortstermin am 21.03.2023 und bei der mündlichen Verhandlung persönlich anwesend. An beiden Terminen haben wir eine Kammer mit dem vorsitzenden Richter Dr. Henke erlebt, die sich intensiv, engagiert und überaus sorgfältig mit der entscheidenden Frage „Handelt es sich beim Grundstück Bergstr, 63 C um Außenbereich oder Innenbereich?“ beschäftigt hat.
Am 04.05.2023 informierte uns unser Anwalt, dass die Stadt Berufung gegen das Urteil eingereicht hat, noch bevor die schriftliche Urteilsbegründung überhaupt vorlag. Dies ist gänzlich unüblich, denn nach Vorliegen des schriftlichen Urteils hat man vier Wochen Zeit, sich mit dem Urteil auseinanderzusetzen und eine mögliche Berufung zu überdenken.
Da hatten wir die ganze Zeit angenommen, dass es auch Ihnen, Herr Oberbürgermeister, auf eine klare und saubere juristische Einschätzung ankommt, ob das Grundstück, das mehr als 30 Jahre Teil des Landschaftsschutzgebietes Düngelbruch war, im Außen- oder Innenbereich liegt. Schließlich hatten Sie sich in Sitzungen, aber auch schriftlich, genauso geäußert. Nun wurden wir durch das Verwaltungshandeln aber eines Besseren belehrt: Es geht einzig und allein darum, den Investoren weitere Zeit zu verschaffen, ihr Bauvorhaben voranzutreiben.
Allein der Respekt vor den Richtern des Verwaltungsgerichts und deren Entscheidung hätte es geboten, sich mit den Argumenten der Richter auseinanderzusetzen und erst danach ggf. in Berufung zu gehen.
Sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete, hätten Sie nicht erwartet, dass Ihnen die Argumente des Gerichts vorgelegt werden und sie als Vertreter von uns Bürgern mehrheitlich über das weitere Verwaltungshandeln entscheiden? Sie werden zu Zuschauern degradiert, deren Meinung ohne Bedeutung zu sein scheint. Sie sollten damit nicht länger einverstanden sein.
Am 30.11.2021 haben Sie, sehr verehrte Damen und Herren Stadtverordnete, die Fortschreibung des Programms für Wohnbauflächen (2021-2025) beschlossen. In diesem Programm ist eine Bebauung der Potenzialfläche östliche Bergstr. ausdrücklich ausgeschlossen wegen der besonderen ökologischen Bedeutung der Fläche. Aber schon im August 2021 war ein positiver Bauvorbescheid für die Bergstr. 63C ausgesprochen worden. Warum fand das keinen Eingang in das WEP, warum wurde Ihnen das nicht während der Beratungen mitgeteilt?
In Berufung zu gehen, wenn die Argumente nicht überzeugen können, ist vollkommen in Ordnung und richtig. Aber ohne die Argumente der Richter zu kennen und ohne sich mit den politisch Verantwortlichen ausgetauscht zu haben, einen Weg zu beschreiten, der nur den Investoren hilft, macht uns fassungslos.
Herne und seine Bürger haben Freiraum und Grünstrukturen so bitter nötig; welche Rolle spielt das bei ihren Entscheidungen, Herr Oberbürgermeister?
Die staatsanwaltlichen Ermittlungen wegen des Verdachts der Korruption im Zusammenhang mit der Erteilung der Baugenehmigung, die ja noch laufen, haben wir im Klageverfahren weder schriftlich noch mündlich erwähnt, weil wir eine alleinige Klärung der Frage „Außen- oder Innenbereich“ wollten.
Als der Verdacht der Korruption im Raum stand, hätten Sie, Herr Oberbürgermeister, bereits einen Baustopp aussprechen können bis zur Klärung der Vorwürfe: das haben sie nicht getan. Nun ist ein Urteil in unserer Klage gesprochen: die erteilte Baugenehmigung ist rechtswidrig, aber durch die vorzeitige Berufung wird ein Baustopp erneut verzögert. Es wird weiter rechtswidrig gebaut mit Ihrer Unterstützung.
Das ist uns unbegreiflich, denn zweifelsohne gibt es im gesamten Genehmigungsprozess sehr irritierende Fakten, die auch Ihnen, Herr Oberbürgermeister, nicht verborgen geblieben sein können.
Für die BUND-Kreisgruppe Herne
Ingrid Reckmeier